CEO Interview
29. April 2021
Die Kunden im Fokus mit IN:OMNICHANNEL
Interview mit Detlef Beiter
In den vergangenen Monaten hat die Fashionbranche ihre Widerstandsfähigkeit und Flexibilität bewiesen und sich den veränderten Gegebenheiten angepasst. Die SPH Redaktion hat Detlef Beiter, den Vorstandsvorsitzenden der SPH AG, nach seiner Einschätzung zur aktuellen Situation des Marktes befragt. Er erläutert im Interview, wie sich Digitalisierung, Kundenzentrierung und Nachhaltigkeit zu einem ganzheitlichen Konzept vereinen lassen.
Herr Beiter, wie schätzen Sie die aktuelle Stimmung am Markt ein?
Der Modesektor ist sehr personalintensiv und auch durch die hohen Lagerbestände und Mietkosten tendenziell anfällig für Umsatzverluste. Doch inmitten des Umbruchs hat die Branche ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt und sich den Veränderungen angepasst. Verschiedene Maßnahmen, von kreativen Marketinginitiativen bis hin zur kompletten Neuausrichtung der Geschäftsmodelle helfen, den Strukturwandel aufzufangen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Auch ein neues Gefühl des Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung ist am Markt zu spüren.
Wie kann die Digitalisierung auch dem stationären Handel helfen?
Der stationäre Handel muss vor allem präsent bleiben, trotz geschlossener Türen. Der Begriff “Digitalisierung” wird oft nur mit E-Commerce verbunden. Digitale Technologien sind jedoch für alle Kanäle einsetzbar. Not macht bekanntlich erfinderisch, und so haben sich Retailer zahlreiche Ideen einfallen lassen, um sichtbar zu bleiben und lokales Shopping mit digitalen Tools zu kombinieren. Einige Beispiele von vielen sind:
– QR-Codes an geschlossenen Ladentüren für Gutscheine oder Rabatte im Online-Shop
– Überraschungstüten mit Rabatten und Rückgaberecht in Verbindung mit Click & Meet
– Private Shopping Sessions im Store oder online, abhängig von den lokalen Corona-Richtlinien
– Verstärkte Nutzung der sozialen Netzwerke LinkedIn, Instagram, Facebook und TikTok
– Aufbau und Pflege von Online-Communities
– Support-Plattformen für kleine Unternehmen, oft initiiert durch Stadtmarketing-Verbände
All diese Aktionen sind natürlich kein Ersatz für das Einkaufserlebnis in den Stadtzentren, aber sie zeigen, dass die Branche auch in der Krise flexibel ist und die digitalen Möglichkeiten nutzt.
Wie kann durch Apps der Kontakt zu den Kunden verbessert werden?
Apps werden in dem Zusammenhang immer gefragter. Sicherheit und Bequemlichkeit sind hier sehr wesentliche Aspekte. Ein Beispiel ist die App rezolve, die den Kunden genau das bietet und es kleineren Retailern ermöglicht, auch ohne Onlineshop und Kapitaleinsatz präsent zu sein und mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben. Beide Seiten profitieren: Die Händler können ihren Umsatz steigern und somit das geschäftliche Überleben sichern, und den Verbrauchern wird es einfacher gemacht, ihre Loyalität zu den lokalen Geschäften unter Beweis zu stellen. Rezolve und die SPH AG haben in ihrer Partnerschaft eine enge Verknüpfung der Shopping- und Payment-Lösung mit der SPH IN:FASHION-Software und damit ideale Voraussetzungen für Unternehmen aus der Mode-, Sports- und Outdoor-Branche geschaffen.
Wie wichtig ist Service auch im Online-Handel?
Das Wachstum des Online-Handels ist ein Trend, der sich schon seit längerer Zeit abgezeichnet hat. Durch die Krise konnte in diesem Bereich eine enorme Umsatzsteigerung verzeichnet werden.
E-Commerce ist jedoch kein Selbstläufer, sondern ist zum einen mit gut durchdachter Werbetätigkeit verbunden und erfordert zum anderen Technologien, die dabei helfen, Reibungsverluste zwischen dem Laden-, Online- und Telefonverkauf zu vermeiden. Dabei spielt die Kundenzentrierung im Zuge der Digitalisierung eine sehr wichtige Rolle. Individuelle Shoppingerlebnisse werden in der virtuellen Einkaufswelt genauso eingefordert wie beim Bummel durch die Läden. Verbraucher möchten über jeden Kanal auf Fashion-Angebote zugreifen und auch digital den Service genießen, den sie beim Einkaufen im Geschäft gewohnt sind.
Heißt das, direkte Kommunikation muss auch digital funktionieren?
Auf jeden Fall. Egal, ob Webshop, Plattform oder App: Wenn der Kunde sich in den unendlichen Weiten des digitalen Universums verloren fühlt, springt er ab. Interaktion und Hilfe bei der Navigation durch das Sortiment hingegen werden honoriert. Beratung und Fragenkataloge statt starrer Filter erleichtern die Produktauswahl. Komplette Outfits zur Inspiration sowie Kombinationsmöglichkeiten ersetzen zwar das Anprobieren im Geschäft nicht, können aber bei der Kaufentscheidung helfen. Sollten beim Kauf- oder Bezahlvorgang akute Probleme auftauchen, sind Chatbots oder Kundenhotlines sehr hilfreich. Wer sich bei der Digitalisierung in die Kunden hineindenkt und ihre Bedürfnisse im Blick behält, wird langfristig erfolgreich sein.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt die Gemüter derzeit ja mehr denn je.
Welche Auswirkungen hat die Krise auf dieses Engagement?
Kundenzentrierung schließt zweifellos auch das Thema Nachhaltigkeit ein. Die Nachhaltigkeitsprogramme und -verpflichtungen der Branche umfassen sowohl ökologische als auch soziale Aspekte. Diese Initiativen wurden durch Faktoren wie das gestiegene Bewusstsein und Interesse der Verbraucher an der Nachhaltigkeit ihrer Bekleidung vorangetrieben. Transparenz seitens der Fashion-Brands stärkt das Vertrauensverhältnis zum Kunden.
Die Krise stellt das Engagement für verantwortungsvolleren Umgang mit Ressourcen derzeit allerdings auf eine harte Probe, da zum einen die Herstellerfirmen mit kurzfristigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und zum anderen die Konsumenten gezwungenermaßen preisbewusster einkaufen.
Dennoch haben sich die Einkaufsgewohnheiten bereits verändert. Fast Fashion wird immer mehr in Frage gestellt, es wird mehr Wert auf zeitlose Qualitätsmode mit längerer Lebensdauer gelegt – nicht zuletzt durch die Notwendigkeit, die Häufigkeit der Shoppingtouren einzuschränken. Legere Basics, mit denen man sich auch im Homeoffice gut angezogen fühlt und die sich mit stylischen Einzelstücken fürs Büro kombinieren lassen, liegen im Trend.
Was ist Ihr Fazit?
Der schnelle Wandel, in dem die Fashion-Branche sich befindet, erfordert agile Geschäftsmodelle und die ständige Anpassung der Strategien an sich verändernde Gegebenheiten. Idealerweise stehen die unterschiedlichen Verkaufskonzepte nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich, um den Konsumenten die Omnichannel-Angebote zu bieten, die sie erwarten.